Dortmunder Entwicklungsscreening (DESK 3 – 6)

Früherkennung von Entwicklungsauffälligkeiten bei 3 bis 6 jährigen Kindern

Das frühzeitige Erkennen von Verhaltens- und Entwicklungsauffälligkeiten bei Kindern ist eine grundlegende Voraussetzung für eine gezielte, individuelle und erfolgreiche Frühförderung. Kindergärten und Kindertagesstätten bieten hierfür in der Altersgruppe der 3- bis 6jährigen die besten Voraussetzungen.

Personelle Engpässe, ein wachsender Anteil an verhaltensauffälligen Kindern in den Gruppen und unzureichende Qualifikation der Erzieherinnen und Erzieher für die z. T. sehr speziellen Aufgaben im Zusammenhang mit der Früherkennung ganz unterschiedlicher Auffälligkeiten wirken sich hier jedoch hemmend aus. Eine regelmäßige und tiefgründige Schulung ist daher unerlässlich.

Mit dem „Dortmunder Entwicklungsscreening“ für 3- bis 6jährige Mädchen und Jungen (DESK 3–6) gibt es seit 2004 eine effektive Möglichkeit, Auffälligkeiten in den Bereichen Grobmotorik (GM), Feinmotorik (FM), Sprache und Kognition (SK, hierzu zählen Wahrnehmung, Erkennen, Denken) und Soziale Entwicklung (SE) sicher und gezielt zu erkennen und damit eine spätestens im Kindergartenalter einsetzende individuelle Frühförderung zu ermöglichen.

Statistik nicht überbewerten

Langfristig und regelmäßig wiederholt können die Tests schlussendlich entscheidenden Einfluss auf die Einschulungsempfehlung für die Kinder haben (Empfehlung für die Regelschule / Einschulungsempfehlung nur mit Bedenken oder für die Sonderschule).

DESK 3–6 ist also entschieden mehr, als dies aus der wissenschaftlichen und meist sehr statistisch daherkommenden Literatur seit 2004 ersichtlich ist: Die am Ende der Tests stehende Empfehlung bedeutet neben der vorrangigen Aufgabe, individuellen Förderbedarf rechtzeitig zu erkennen, nicht mehr und nicht weniger als eine Weichenstellung für die Zukunft jedes einzelnen betroffenen Kindes.

Von größter Wichtigkeit ist es daher, dass die Tests von geschulten und für die mit der Thematik verbundene Verantwortung sensibilisierten Erzieherinnen und Erziehern durchgeführt werden, dass diese partnerschaftlich mit den Eltern zusammenarbeiten und gemeinsam stets im Auge behalten, dass jedes Kind in seiner Gesamtentwicklung einzigartig und individuell ist und letztlich niemals vollständig in statistische Schubladen gepresst werden darf.

Den Eltern obliegt es, diesen Prozess aufmerksam zu begleiten, denn niemand kennt ihr Kind besser als sie.

Der Test

DESK 3-6 wurde an 1492 Kindergartenkindern (724 Mädchen, 767 Jungen) im Alter von 33 bis 85 Monaten erprobt und inhaltlich in die seit 2004 gültige Form gebracht.

Die praktische Durchführung des DESK 3–6 erfolgt über spielerische Aktivitäten im Kindergarten. Dabei kommen Testhefte zum Einsatz, die für die drei Altersstufen 3jährige Kinder, 4jährige Kinder sowie 5- und 6jährige Kinder jeweils solche Entwicklungsaufgaben enthalten, die von der Mehrzahl der altersgemäß entwickelten Altersgenossen bewältigt werden können.

Unterschieden werden dabei

  • Beobachtungsaufgaben und
  • Durchführungsaufgaben

Im Rahmen der Beobachtungsaufgaben erfassen die Erzieherinnen und Erzieher entwicklungsbedingte Kompetenzen auf Grund ihrer täglichen Erfahrungen mit dem Kind in der Gruppe.

Bei den Durchführungsaufgaben werden die Kinder in kleinen Gruppen nach entsprechender Aufforderung oder Anregung aktiv und zeigen z. B. im Rahmen nachgespielter Zirkusszenen (z. B. Balancieren wie eine Seiltänzerin), was sie können. Die Aufgaben sind dabei in die Szenen eingebettet.

Es werden Entwicklungsaufgaben gestellt, die vier unterschiedlichen Bereichen zugeordnet werden können.

Grobmotorik (GM)

Hierbei geht es um Körperkoordination, Gleichgewicht, Geschicklichkeit und Beweglichkeit des Kindes.

Beispiele für 3jährige:

  • auf der Stelle hüpfen,
  • auf einem Bein springen,
  • fünf Schlusssprünge fortlaufend hintereinander machen,
  • mindestens eine Sekunde lang ohne Festhalten sicher auf einem Bein stehen (einmal linkes Bein, einmal rechtes Bein),
  • einen Ball mit 10-15 cm Durchmesser auffangen, der aus ca. 2 Meter Entfernung geworfen wird,
  • einen Becher Wasser um einen 1½ Meter weit entfernten Stuhl herum und wieder zurück tragen, ohne etwas zu verschütten,
  • im Erwachsenenschritt (immer ein Fuß pro Stufe) 3 Schritte die Treppe hinunter gehen.

Beispiele für 4jährige Kinder

  • Beispiele für 3jährige Kinder wiederholen,
  • im Zehen-Hacken-Gang (Gänsefüßchen) vorwärts balancieren,
  • im Einbein-Stand mindestens 5 Sekunden lang ohne Festhalten das Gleichgewicht halten,
  • mit beiden Beinen gleichzeitig seitlich über ein Seil hin und her springen,
  • einen Ball mit 10-15 cm Durchmesser aus 2 – 3 Metern Entfernung jemandem gezielt zuwerfen,
  • auf einem Bein mindestens 2-mal hintereinander hüpfen.

Beispiele für 5- und 6jährige Kinder

  • Beispiele für 3- und 4jährige Kinder wiederholen,
  • im Zehen-Hacken-Gang (Gänsefüßchen) vorwärts und rückwärts balancieren,
  • im Einbein-Stand mindestens 10 Sekunden lang ohne Festhalten das Gleichgewicht halten,
  • einen Ball mit 10 -15 cm Durchmesser auffangen, der aus einer Entfernung von 3 Metern geworfen wird,
  • einen Fußball mindestens viermal hintereinander prellen,
  • wie ein „Hampelmann“ hüpfen.

Feinmotorik (FM)

Im Vordergrund stehen hier die Auge-Hand Koordination, die Handgeschicklichkeit und die Präzision von Handbewegungen.

Beispiel für 3jährige Kinder

  • ein Kreuz malen,
  • mit dem Stift ein vorgezeichnetes Kreuz nachzeichnen,
  • ein Blatt Papier einmal in der Mitte falten,
  • einen halbvollen Becher in einen anderen, leeren Becher und wieder zurück gießen, ohne etwas zu verschütten,
  • aus einer kugelförmigen, walnussgroßen Knetmasse eine „Schlange“ formen,
  • eine Schachtel öffnen, um an deren Inhalt, z. B. eine Perle, eine Überraschung, zu gelangen,
  • einen Knopf auf und wieder zu knöpfen,
  • Papierschnipsel reißen.

Beispiele für 4jährige Kinder

  • Beispiele für 3jährige Kinder wiederholen,
  • einen Mensch zeichnen, der aus mindestens 6 Teilen besteht,
  • ein Wollknäuel aufwickeln,
  • ein Blatt Papier zu einer kompakten Kugel formen,
  • ein Bild malen, auf dem eine Szene mit mehreren Objekten dargestellt ist (z. B. Baum, Haus und Sonne; Blumen, Wolken, Mond, Schneemann),
  • innerhalb vorgegebener Linien und Formen malen, z. B. in einem Malbuch.

Beispiele für 5- und 6jährige Kinder

  • Beispiele für 3- und 4jährige Kinder wiederholen,
  • 3 Zahlen oder Buchstaben malen oder schreiben. Sie dürfen verdreht oder gespiegelt sein.
  • einen Stift mit dem Anspitzer spitzen,
  • mit einem Radiergummi radieren.

Sprache und Kognition (SK)

Sprachproduktion bzw. Sprechfähigkeit, Sprachverständnis und Kommunikationsfähigkeit, aber auch Gedächtnisleistung, die Fähigkeit, selbständig Problemlösungen zu finden und die Fähigkeit zum abstrakten Denken sind hier die Schwerpunkte.

Beispiele für 3jährige Kinder

  • einen Satz mit mindestens 5 Silben nachsprechen,
  • Sätze aus mindestens 3 Worten grammatikalisch richtig sprechen,
  • Fragewörter benutzen: z. B. warum, was, wie?
  • einfache Tätigkeiten von Personen oder Tieren etwa in einem Bilderbuch erkennen und benennen, z. B. „die Katze trinkt.“, „Das Kind spielt.“,
  • wissen, wozu bestimmte Alltagsgegenstände gebraucht werden, z. B. die Tasse, der Teller, der Kamm, der Löffel,
  • die Mehrzahl erkennen und verwenden, wenn es angebracht ist,
  • mindestens 3 der folgenden Farben kennen: Rot, Grün, Blau, Gelb, Weiß und Schwarz,
  • ein kleines Gespräch führen können,
  • die Gegensätze zu „klein“, „kalt“, „hell“ und „sauer“ kennen,
  • Zusammenhänge, Bildergeschichten in einem Bilderbuch erkennen und beschreiben können.

Beispiele für 4jährige Kinder

  • Beispiele für 3jährige Kinder wiederholen,
  • zwei viersilbige „Zauberwörter“ richtig nachsprechen,
  • die Vergangenheitsform bilden können,
  • drei einfache Aufforderungen/Aufgaben in der richtigen Reihenfolge erledigen,
  • grammatikalisch richtige Sätze aus 5 oder mehr Wörtern bilden,
  • Erlebtes in logischer und zeitlicher Reihenfolge nacherzählen / berichten,
  • ein Kinderpuzzle mit mindestens 12 Teilen zusammenfügen,
  • Gegenstände durch ihren Gebrauch, ihre Form und das Material, aus dem sie gemacht sind oder durch den Oberbegriff definieren (z. B. Geschirr, Teller).

Beispiele für 5- und 6jährige Kinder

  • Beispiele für 3- und 4jährige Kinder wiederholen,
  • vier Zahlen zwischen 1 und 9 lesen / erkennen,
  • die Silben eines 2- und 3silbigen Wortes klatschen,
  • einfache Zeitbegriffe, wie „heute“, „gestern“ oder „morgen“ richtig benutzen,
  • die Formen Quadrat / Rechteck (Viereck), Kreis und Dreieck erkennen und richtig benennen,
  • fünf Gegenstände zählen, ohne dabei die Finger zu benutzen,
  • anderen Kindern oder der Erzieherin ein Spiel erklären, das das Kind kennt,
  • fließend sprechen,
  • einfache und anschauliche Plus- und Minusaufgaben im Zahlenraum bis 6 lösen.

Soziale Entwicklung (SE)

Hier wird der Selbständigkeitsentwicklung des Kindes besondere Aufmerksamkeit geschenkt. In wie weit ist ein Kind in der Lage, Alltagsanforderungen ohne fremde Hilfe zu bewältigen? Beherrscht es grundlegende soziale Regeln im Umgang mit anderen Kindern, Erwachsenen und Erziehern?

Beispiele für 3jährige Kinder

  • fürsorglich mit Puppe oder Teddy spielen,
  • von sich selbst in der Ich-Form sprechen,
  • Jungen und Mädchen erkennen und unterscheiden,
  • sich selbständig die Hände waschen,
  • eine zuvor geöffnete Jacke selbständig ausziehen,
  • rechtzeitig nach der Toilette verlangen,
  • konstruktiv spielen und bauen, ohne alles gleich wieder einzureißen,
  • nach dem Spielen ggf. nach Aufforderung einzelne Sachen aufräumen, auch wenn es noch nicht gut klappt.

Beispiele für 4jährige Kinder

  • Beispiele für 3jährige Kinder weiderholen,
  • den richtigen Schuh an den richtigen Fuß anziehen,
  • sich an Spielregeln halten (altersgemäße Brett- oder Kartenspiele),
  • auf Gefühlsäußerungen anderer Kinder (Weinen, Schmerzen, Trauer, Fröhlichkeit) angemessen reagieren,
  • im Rollenspiel eine Rolle übernehmen und beibehalten,
  • Freundschaft zu einem anderen Kind pflegen, die über einige Wochen hält,
  • sich am Tisch selbständig versorgen,
  • Streit und Konflikte friedlich lösen,
  • gefährliche Situationen im Alltag erkennen und sich angemessen verhalten (Straße, Haushalt, Fremde, Hund).

Beispiele für 5- und 6jährige Kinder

  • Beispiele für 4jährige Kinder wiederholen,
  • in einer Gruppe eigene Bedürfnisse vorläufig zurückstellen,
  • warten, bis das Kind an der Reihe ist,
  • mit Misserfolgen angemessen umgehen können,
  • Anleitungen und Erzählungen der Erzieherin aufmerksam zuhören können
  • Anweisungen der Erzieherinnen aufnehmen und ausführen können,
  • kooperatives Verhalten gegenüber Kindern,
  • Spiel- und Kontaktangebote anderer Kinder erwidern,
  • sich konzentriert und ausdauernd über längere Zeit mit einer Aufgabe beschäftigen können.

Was Eltern selbst tun können

Die meisten der dargestellten Aufgaben erfüllen die Kinder tagtäglich mehr oder weniger unbewusst und ganz von selbst, so dass die Eltern und Erzieher eigentlich nur beobachten und aufmerksam sein müssen.

Manches lässt sich zu Hause ohne großen Aufwand spielerisch und mit Spaß und Freude ausprobieren, ohne die Kinder dabei in irgendeiner Weise zu bedrängen.

Für diejenigen Eltern, denen das alles in seiner geballten Form zu viel ist, sei noch einmal gesagt:

Nicht jede kleine Abweichung von einer der zahlreichen „Normen“ stellt eine Entwicklungsauffälligkeit dar. Es zählt das Gesamtbild, das Eltern und Erzieher/innen gemeinsam durch aufmerksames Beobachten und spielerische Begleitung des Kindes gewinnen. Oftmals haben vor allem Mütter einen hervorragend ausgeprägten Instinkt für wirkliche (sich ankündigende) Probleme.

Vertrauen Sie sich selbst und nutzen Sie das, was Sie hier lesen können, als Hilfe und Orientierung!

Mario Lichtenheldt

 

Weiterführende Informationen zu DESK 3-6 erhalten Sie hier.

desk.kinderzentrum-mecklenburg.de
www.kita-portal-mv.de